Dritte Szene


[233] Wald.

Leopold von Friedheim und Brigitte auf dem Boden gelagert.


BRIGITTE. Wird denn die Sonne noch nicht bald aufgehn?

LEOPOLD. Das verwünschte Verirren! – Und mein Knecht behauptet, daß er die Wege genau wisse!

BRIGITTE. Wie ist Euch, Ritter?

LEOPOLD. Nenne mich doch du, Liebe.

BRIGITTE. Der Mond ging recht betrübt unter.

LEOPOLD. Zu meinem Bruder darf ich nicht zurück, denn dort sucht mich dein Vater gewiß zuerst.

BRIGITTE. Jetzt bist du meine einzige Hoffnung.

LEOPOLD. Und Mädchen, so, wie ich dich liebe, könnte dich doch niemand anders lieben.

BRIGITTE. Ist es gewiß wahr, Leopold?

LEOPOLD. Bei meiner Seele! Beim Himmel!

BRIGITTE. Nun, dann will ich meinen armen alten Vater etwas mehr zu vergessen suchen. Ich weiß nicht, was mich so unwiderstehlich nach dir zog, ich hatte nur Gelenke und Bewegung, um vorwärts zu gehn, aber keine, um zurückzubleiben.

LEOPOLD. Wir müssen nun auf dem ersten Schlosse einkehren, das wir antreffen.

BRIGITTE. Und sobald der Segen über uns gesprochen ist, gehn wir zu meinem Vater zurück. Nicht wahr, Leopold?

LEOPOLD. Wie du willst, liebes Mädchen.

BRIGITTE. Mich dünkt, der Tag graut schon.

LEOPOLD. Nun, so wollen wir nach unsern Pferden sehn und gleich wieder aufsitzen. – Komm, die Büsche sind hier etwas verworren, ich will dir durchhelfen. Sie gehn ab.


Hans von Marlof und Kaspar kommen.


HANS. Hörtest du nicht Stimmen, Kaspar?[233]

KASPAR. Es klang mir auch so vor den Ohren, vielleicht sind's Unholde.

HANS. Du bist abergläubisch, Kaspar.

KASPAR. Die ganze Nacht ist mir so unheimlich gewesen. – Nun, den wilden Jäger müßt Ihr ja so gut gehört haben wie ich. – Und daß uns unsre beiden Pferde umgefallen sind, ist doch wohl auch kein gutes Zeichen.

HANS. Sind sie denn beide tot?

KASPAR. Mausetot.

HANS. Die treuen Tiere! – Wir haben ihnen auch zuviel zugemutet, sie hatten nicht Ruhe gering, sie sind an ihrem treuen Dienste gestorben.

KASPAR. Wenn es nur erst wieder vollends Tag wäre, daß man sehen könnte, wo man wäre.

HANS. Was hilft es, daß es Tag wird, wenn ich meine Tochter, meinen einzig wahren Tag nicht wiederfinde.

KASPAR. Ach!

HANS. Worüber seufzest du?

KASPAR. Ich kann es immer nicht vergessen, daß ich schuld daran bin.


Reinhold kommt bewaffnet.


REINHOLD. Ich höre hier Stimmen. – Wer ihr auch sein mögt, könnt ihr mir nicht hier aus der Irre helfen?

KASPAR. Wir sind selbst verirrt.

REINHOLD. Ich suche den Weg nach Marlof.

HANS. Da trefft Ihr niemand zu Hause, da ist jetzt alles verwaist.

REINHOLD. Ihr erschreckt mich; – sagt mir nur, wie – ich muß hin.

HANS ihm näher tretend. Was habt Ihr denn auf Marlof zu suchen, junger Mann, wenn eine Frage vergönnt ist? – O lieber Gott im Himmel! Kaspar! Ich bin verrückt, oder das ist mein Sohn Reinhold.

REINHOLD. Wie? – Seid Ihr mein Vater? – Lieber Vater, seh' ich Euch wieder? Umarmt ihn.

HANS. Bester, teuerster Sohn- und deine Schwester –

REINHOLD. Ist wohl?

HANS. Wohl; zu wohl! Auf und davon, und ich alter Narr jage ihr nach.

REINHOLD. Aber Ihr seid doch noch gesund? – lind Anne, lebt sie noch?

HANS. Sie lebt.

REINHOLD. Und verheiratet?[234]

HANS. Nein, sie ist Jungfrau.

REINHOLD. Nun, dann sei Gott gedankt!

HANS. Fragst du gleich nach der und hast kaum deinen alten Vater recht angesehn.

KASPAR. Er ist noch braver und schöner geworden, Herr.

REINHOLD. Guten Morgen, Kaspar.

KASPAR. Wollte Gott, es träfe uns hier ein guter Morgen.

REINHOLD. Wieso?

KASPAR. So würden wir uns doch ans den verfluchten Gebüschen herausfinden können.

REINHOLD. Die Landstraße ist ja nur drei Schritte von hier, mein Pferd steht dort.

KASPAR. Nun seht nur, Herr, was die Blindheit tut, und wir suchen sie schon seit zwei Stunden mit Händen und Füßen. – Glaubt Ihr noch nicht, daß wir behext gewesen sind?

HANS. Ich kann mich in der Freude noch gar nicht finden; ich glaubte immer, du wärest tot, mein Sohn – und nun – und so unverhofft –

REINHOLD. Wo ist Euer Pferd?

HANS. Tot!

REINHOLD. Nun, so setzt Euch auf das mehlige, ich gehe neben Euch her, und so erzählen wir uns unsere Geschichte. – Wir müssen doch bald irgendein Schloß antreffen, und da hören wir vielleicht Nachrichten von meiner Schwester, auch könnt Ihr da wieder ein Pferd bekommen. Sie gehn ab.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in einem Band. Hamburg 1967, S. 233-235.
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